Burnout – was mache ich dann? Teil 5
Dies ist der fünfte Artikel aus einer ganzen Reihe zum Thema Burnout. Am Ende des Beitrags findest Du Links zu allen Artikeln der Reihe in chronologischer Reihenfolge. Wenn Du alle lesen willst, empfehle ich Dir, nach der Reihe durchzugehen, um inhaltlich und thematisch an den vorhergegangenen anknüpfen zu können.
Wenn es Dir nicht gut tut, solche Inhalte zu konsumieren, rate ich Dir, die Themenartikel nicht oder nicht allein zu lesen, da sie sehr persönlich und emotional geschrieben sind.
Am Ende der Beiträge findest Du Hilfestellen, an die Du Dich wenden kannst, wenn es Dir nicht gut geht.
Wann bin ich krank?
Du bist dann krank, wenn Du selbst Dich nicht mehr gut fühlst. Was immer das für Dich bedeutet. Denn es gibt keinen Maßstab, der besagt, was ein Mensch leisten können muss, um arbeitsfähig oder krank zu sein. Wenn Du Dich also nicht leistungsfähig fühlst, weil Du erkältet bist, oder die Nacht nicht geschlafen hast, oder Deine persönlichen Themen und Probleme Deinen Kopf 24/7 auf Trapp halten, ist es Dein Recht, Dich krank zu melden. Die Verantwortung, wie und ob Du arbeiten kannst, liegt bei Dir. Lass Dir von Sätzen wie „Da muss man eben durch“, „Jeder hat mal schlechte Zeiten“ oder „Stell Dich nicht so an“ nicht verunsichern oder Dir ein schlechtes Gewissen machen. Wenn es Dir nicht gut geht – lass Dich krank schreiben.
Ich habe das nicht getan. Und ehrlich gesagt musste meine Ärztin mir den Stecker ziehen. Mich wirklich langfristig krank schreiben. Mir sagen, dass es hier jetzt erst mal zu Ende ist. Und ich einfach mal abschalten und mich erholen muss. Ich hätte mich ansonsten vermutlich noch weiter durch die damalige Situation gequält, bis wohin? Keine Ahnung.
Und dann hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Noch etwa drei Wochen hat mein Kopf den Durchhalten-Modus aufrecht erhalten. So lange war ich noch auf Autopilot, habe einfach weiter funktioniert. Bis mein Körper und mein Kopf gesagt haben „Hier ist Schluss. Wir können nicht mehr.“
Danach habe ich gut zwei Monate quasi auf dem Sofa gelebt. Genauere Beschreibungen über diese Zeit findest Du im Artikel „Burnout – wie fühlt sich das an?“.
Krankgeschrieben – und dann?
Ist der erste Schritt erst mal getan, die Diagnose Depression gestellt und in Form einer Krankmeldung oder zumindest einer ärztlichen Absprache interveniert, gilt es, sich um die Behandlung zu kümmern. Bedeutet konkret, sich um einen Therapie- oder Klinikplatz zu kümmern, bei dem einem geholfen wird, die Thematik zu bearbeiten und über die eigenen Probleme zu sprechen.
Und das kann ganz schön mühsam sein. In einer Situation, in der sogar das Zähneputzen, Kochen und manchmal sogar das Aufstehen zu schwer fällt, kann es eine Mammutaufgabe sein, sich mit einer mehrseitigen Telefonliste hinzusetzen und einen Therapeuten nach dem anderen durch zu telefonieren. Vorausgesetzt, mensch hat so eine Liste vorliegen. Diese kannst Du beim Hausarzt, deiner Krankenkasse, einer psychosomatischen Klinik in der Nähe oder der kassenärztlichen Vereinigung anfragen. Oder Du suchst selbst nach Therapeut*innen in Deiner Umgebung.
Dieses Procedere ist nicht leicht. Denn die Therapeut*innen haben meist während ihrer Gesprächstermine nur den Anrufbeantworter eingeschalten, sodass es sein kann, dass Du wieder und wieder die selbe Nachricht auf Band sprechen musst.
Mach nur soviel, wie Du kräftemäßig schaffst. Und wenn es nur drei Nummern am Tag sind, jeder Anfang zählt. Bitte vielleicht Menschen aus Deinem Umfeld um Hilfe dabei. Sich daneben zu setzen kann schon eine große Unterstützung sein. Und verlasse Dich nicht auf einen Termin. Mache ruhig mehrere Erstgespräche bei verschiedenen Therapeut*innen aus, wenn sie Dir angeboten werden. Du sollst ja die Chance haben, jemanden zu finden, mit dem Du Dich gut austauschen kannst, das ist vielleicht nicht unbedingt der erste Mensch, dem Du Dich vorstellst. Und lass Dich von Absagen nicht entmutigen. Auch wenn es am Anfang kaum vorstellbar ist, in den allermeisten Fällen ergibt sich doch etwas.
Erstgespräch – und dann?
Du hast ein oder mehrere gute Erstgespräche geführt und fragst Dich jetzt, wie es weitergeht?
Das Erstgespräch dient dem Kennenlernen. Du und Dein*e Therapeut*in sollen die Möglichkeit haben, festzustellen, ob ihr miteinander arbeiten könnt. Dafür ist eine Offenheit Deinerseits nicht unbedeutend. Habe keine Angst, Dich Deinem Fachmenschen zu öffnen, er weiß, wie schwer das ist und wird versuchen, bestmöglich auf Dich einzugehen und Dich zu unterstützen.
Wenn Du jemanden gefunden hast, bei dem Du ein gutes Gefühl hast, folgen nach Möglichkeit ein paar (meist um die 5) probatorische Sitzungen. In diesen Sitzungen soll festgestellt werden, ob und wie der*die Therapeut*in Dir helfen kann, welche Therapieform für Dich geeignet ist und welcher Antrag zunächst an die Krankenkasse gestellt wird. Meist sind es zu Beginn 12 Sitzungen (die probatorischen nicht einberechnet), die dann nach und nach erweitert, bzw. verlängert werden.
Denn eine Gesprächstherapie ist eine lang angelegte Sache, mit einer Sitzung pro Monat für ein halbes Jahr kommst Du leider nicht weit.
Akute Hilfe benötigt?
Deine Erstgespräche sind erst in einigen Wochen oder die Therapeut*innen bieten Dir erst in einigen Monaten einen Therapieplatz an, Dir geht es aber jetzt schlecht? Und zwar so richtig?
Dann ist vielleicht eine psychosomatische Klinik der richtige Platz für Dich, bis Du Deine Gesprächstherapie in Anspruch nehmen kannst.
Ich wusste ehrlich gesagt bis zu meiner Krankheit nicht, wie der Ablauf ist, in solch eine Klinik zu kommen, da ich immer davon ausgegangen war, dass sowas ausschließlich über Anträge auf Reha läuft und war umso verletzter und frustrierter, als ich eine Absage nach der anderen von der Renten- und Krankenversicherung erhalten hatte.
Bis mir schließlich (von meinem Therapeuten, bei dem ich zu der Zeit gerade die probatorischen Sitzungen hatte) gesagt wurde, ich sei in einer psychosomatischen Klinik besser aufgehoben und sollte dort mal anfragen.
Ich erhielt einen Kontakt (den Du sonst auch über die bereits oben genannten Stellen erfragen kannst) und rief dort an. Ich wurde zum Vorgespräch eingeladen um meine Situation zu erklären und die Klinik kennenzulernen.
Der Arzt sagte mir bereits im Gespräch, dass er mich gerne aufnehmen würde. Gemeinsam mit anderen künftigen Patienten wurde ich noch durch die Station geführt, uns wurden Therapieräume gezeigt und der Tagesablauf vorgestellt. Dann bekam ich einen möglichen Aufnahmetermin per Mail und sollte mich bis zu einem bestimmten Datum melden, ob ich aufgenommen werden möchte.
Je nach Klinik kann der Ablauf bei Dir natürlich ein wenig anders sein. Ich möchte hier nur meine Erfahrungen teilen, um Dir zu zeigen, wie so ein Prozess ablaufen kann.
Im vorangegangenen Artikel (unten stehend verlinkt) erzähle ich noch etwas mehr über die Zeit in der Klinik, falls Du den noch nicht gelesen hast und Dich das interessiert.
Und was kommt danach?
Wie schon im ersten Beitrag erwähnt, fühlt es sich nach einem Burnout ein wenig so an, als müsste mensch neu laufen lernen.
Lernen, sich um alltägliche Aufgaben zu kümmern. Angefangen bei der Körperpflege. Weiter zum Haushalt. Wäsche waschen. Einkaufen. Alltagsbewältigung.
Und ja, das mag für Außenstehende absurd und unverständlich wirken. Aber es ist tatsächlich so. Menschen mit psychischen Krankheiten haben allermeistens ein großes Problem bei der Alltagsbewältigung. Und wenn mensch sich erst mal bewusst macht, was das bedeutet – dass eine Krankheit den Alltag so sehr beeinträchtigen kann, der kann sich dann vielleicht vorstellen, wie viel Kraft und auch Zeit es benötigt, da wieder herauszukommen.
Ich bin erst seit etwa einem halben Jahr (3 Jahre nach der Erkrankung) wieder soweit, dass ich sagen kann, die täglichen Aufgaben sind mir kein Ballast mehr, den es zu bewältigen gilt, sondern habe das Gefühl, dass mir die Tätigkeiten so von der Hand gehen, wie sie es bei gesunden Menschen tun.
Und wenn das wieder halbwegs funktioniert, heißt es, wieder im Leben und Alltag Fuß fassen.
Zurück an die Arbeitsstelle. Oder eine neue finden. Oder wie bei mir: einen Neuanfang wagen (müssen). Sich neu orientieren. Sich ausrichten.
Das kann eine Mammutaufgabe sein, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wurde und mensch erst mal gar nicht mehr weiß, wer er ist, wenn die (berufliche) Identifikation fehlt.
Mir hat in dieser Zeit geholfen, mich viel mit meinem Umfeld auszutauschen. Was denken sie, wäre gut für mich? Wo sehen sie mich? Was sind meine Stärken und Talente? Aber auch: Womit halse ich mir zu viel auf? Was sind unrealistische Erwartungen? Es hat mir in dieser Phase sehr geholfen, ehrliches Feedback und Rat zu bekommen von Menschen, die mich kennen, denen ich vertraue. Aber auch zu wissen, dass da Personen sind, die mich unterstützen, ganz gleich, wofür ich mich entscheide, welchen Weg ich gehe.
Wenn Du Hilfe suchst und Dich mit Deinen Problemen an jemanden wenden möchtest, kommst Du hier zu Seite der Deutschen Depressionshilfe mit vielen Anlaufstellen und Telefonnummern.
Sich Hilfe zu suchen und danach zu Fragen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut!
Hier kommst Du zu den anderen Artikeln aus dem Themenbereich:
Burnout – und dann? Teil 1
Burnout – Was ist das eigentlich? Teil 2
Burnout – Meine Geschichte Teil 3
Burnout – Wie fühlt sich das an? Teil 4
Burnout – Wie gehe ich damit um? Teil 6
Burnout – Wie geht es mir heute? Teil 7