Unverpacktladen – Heimatliebe in Markdorf
Die Heimatliebe von Simone Keller in Markdorf war der erste seiner Art in der Bodenseeregion. Zum Zeitpunkt der Eröffnung standen „Zero Waste“, unverpackter Einkauf und das Bewusstsein dafür noch in den Kinderschuhen. Kaum jemand wusste, was ein Unverpacktladen ist und es gab landesweit nur ein paar wenige Läden.
Und trotzdem hat Simone den Schritt gewagt, hier einen eigenen Laden zu eröffnen. Und der Erfolg gibt ihr Recht. Heute, mehr als 4 Jahre nach der Eröffnung ihres Ladens, läuft er immer noch gut, Stammkunden kommen genauso zu ihr wie Interessierte und Neukunden.
Ich möchte Dich heute mitnehmen auf eine Tour durch den Laden, Dir zeigen, was Du dort so alles finden kannst, was mir besonders gut gefällt und zum Schluss gibt es noch ein Interview mit Simone selbst.
Die Holzschütten in der Heimatliebe sind einzigartig. Hier bekommen Begriffe wie Entschleunigung und Achtsamkeit wieder Wertigkeit. Denn das langsame Kurbeln an den Rädern, um an die leckeren Lebensmittel zu kommen, ist fast schon meditativ.
Die Auswahl ist sehr groß, ob Getreide, Nüsse, Reis, Nudeln, Trockenfrüchte, Samen und Kerne, Müslimischungen oder Bohnen, von jeder Kategorie mindestens fünf Sorten.
Besonders an Nudeln hat Simone eine große Auswahl, normale, Vollkorn-, Dinkel-, Buchweizen-, Hanf-, Kichererbsen oder Reisnudeln. Da kann sich jeder mal durchprobieren.
Neben einer großen Auswahl an unverpackten Waren gibt es bei Simone auch Frischwaren wie Butter, Käse, Joghurt und auch Hafermilch, das allermeiste davon in Pfandflaschen. Außerdem bekommst Du hier Soßen und Aufstriche, sowie Schnäpse, Honig, Marmeladen und Eier aus der Region.
Und wenn Du nicht genug Gläser oder Beutel dabei hast, kannst Du Dir entweder aus dem Korb voll Altgläsern von Kunden eines nehmen, oder aber aus dem großen Sortiment an Flaschen, Gläsern und Baumwollbeuteln im Regal wählen.
Außerdem hat sie eine Getreidemühle (links hinter dem Kühlschrank), mit der direkt im Laden gemahlen werden kann.
An der Theke, der kleinen Sitzecken im Laden oder draußen auf der Terrasse lässt sich wunderbar eines der vielen angebotenen Getränken genießen und für ein paar Minuten abschalten und entspannen.
Zum Sortiment zählen ebenso frisches Obst und Gemüse, vorwiegend aus der Region. Überregionales gibt es in Bioqualität. Präsentiert in den schönen Holzkisten und auf Stroh liegend, sieht diese Ecke aus wie auf dem Bauernmarkt. An so vielen Ecken des Ladens sieht man, mit wie viel Liebe und Kreativität Simone ihren Laden gestaltet hat.
Wenn ich das bunte Gewürzregal sehe, bekomme ich gleich Lust, zu kochen. Eines der Dinge, die ich an den Unverpacktläden so schön finde. Man sieht direkt, was man kauft. Ohne Ablenkung durch Verpackung, Farben, Text oder Bilder. Die Schlichtheit der Waren finde ich so schön. „What you see is what you get.“ Keine bösen Überraschungen beim Öffnen der Packung, die dann nur halb gefüllt ist.
Auch das Haushaltssortiment in der Heimatliebe kann sich sehen lassen. Reinigungsmittel zum Abfüllen oder in Flaschen (die man dann zukünftig immer wieder nachfüllen kann) von Sonett, Spültücher von Sodasan, Shampoo Bits von Rosenrot, Lippenpflege von Lipfein oder Deosticks und Zahnpasta im Glas von Ben&Anna, hier findest Du wirklich alles, was Du zum Putzen oder zur Körperpflege brauchst.
Außerdem gibt es handgenähte Binden, so wie handgemachts Spültücher und Abschminkpads aus 100% Baumwolle.
Die Auswahl an Süßwaren war in der Heimatliebe schon von Anfang an etwas ganz Besonderes, nicht nur für mich. Ob Bruchschokolade, Gummibärchen, Gemüsechips, gewürzte Nüsse, Kekse, schokolierte Früchte, Lakritze oder Colafläschchen, alles auch in vegan erhältlich.
Neu ist, dass, nach großer Nachfrage, die Bruchschokolade für die Unverpacktläden inzwischen nicht mehr in Plastikpackungen, sondern endlich auch in Papier geliefert wird.
Ob für Vesperbrot, Suppe, Getränke (ob heiß oder kalt) oder einfach kleine Snacks. Die Edelstahlbehältnisse von ecobrotbox eigenen sich dafür besonders gut, ich habe selbst schon einige davon bei Simone mitgenommen.
Wenn Du etwas platzsparenderes suchst, gibt es in der Heimatliebe auch die Wachstücher (mit Bienenwachs oder vegan) von littlebeefresh.
Was es außerdem im Unverpacktladen gibt:
verschiedene Öle und Essig, sowie Agavendicksaft und Sojasoße und verschiedene Teesorten. Simone bietet außerdem leckere Nussecken und Dinkelbrezeln an und an ausgewählten Tagen auch frisches Brot.
Natürlich darf in einem Unverpacktladen die passende Literatur nicht fehlen, und so findest Du in der Heimatliebe nicht nur die Bücher von Bea Johnson und smarticular, sondern auch die Bücher von der lieben Michelle von kuntergruen, welche selbst einige Jahre in der Heimatliebe gearbeitet hat.
Ein Blick in den Lagerraum der Heimatliebe. Mittlerweile gibt es kaum noch Verpackungen in Plastik, was dazu geführt hat, dass Simone inzwischen für den Laden nur etwa einen gelben Sack im Quartal füllt, das schafft mancher Haushalt nicht.
Die meisten Waren kommen in Papier und Karton, vieles, davon das meiste von Banaeira, erfolgt über Pfandbehältnisse, die immer wieder zurückgehen und neu befüllt werden. Außerdem sind die Produkte von Banaeira nicht nur Bio, sondern auch Fairtrade.
Und so sah mein Einkauf beim Besuch der Heimatliebe aus:
Hafermilch, Reis, Dinkelnudeln, schwarze und weiße Bohnen, Schokorosinen, Natron, Pistazien, Schokolade (natürlich!), Kräuter und Kräutersalz.
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Ein Interview mit Simone Keller von der Heimatliebe in Markdorf:
Seit wann gibt es Deinen Laden?
Die Heimatliebe in Markdorf hat am 24.09.2016 eröffnet.
Wie bist Du auf die Idee eines Unverpackt Ladens gekommen?
Früher habe ich als Architektin gearbeitet. Irgendwann kam der Punkt, an dem mir klar wurde, dass ich keinen Bürojob mehr machen wollte. Durch meine Unterstützung bei den Standverkäufen der Waldorfschule stellte ich fest, dass ich viel Freude an der Arbeit im Umgang mit Menschen habe und mir ein Job mit mehr sozialem Umgang lieber wäre, statt weiterhin am Computer zu sitzen.
Ursprünglich wollte ich einen Laden aufmachen, in dem selbstgemachte Produkte von Menschen aus der Region angeboten werden, wie beispielsweise selbstgenähte Sachen oder hausgemachte Marmelade usw. Es sollte eine Art Hofladen mit Café werden.
Außerdem war ich schon immer der Umweltöko der Familie und so lag es nahe, dass es etwas ökologisches werden würde.
In einer Zeitschrift hatte ich dann einen Artikel über den ersten Unverpacktladen in Deutschland gelesen, welcher 2014 in Kiel eröffnet hatte und war sofort begeistert, mein Architektinnenherz war so begeistert von der Ästhetik der Glasschütten.
Allerdings gab es einige Punkte, die ich schwierig fand. Ich wollte keine Amateurkasse, keine Plastikschütten und keine Kundenwaage mit Etikettendruck. Sollte ich diese Dinge für mich zufriedenstellend ändern und umsetzen können, wollte ich das Projekt umsetzen den Laden eröffnen. Das Ergebnis sieht man heute.
Was ist Dein liebstes Produkt/das der Kunden?
Eine schnelle, klare Antwort von Simone: „Die weiß schokolierten Himbeeren.“
Am meisten von den Kunden gekauft werden: Haferflocken, Eier und Shampoo Bars.
Was ist Dir bei der Produktauswahl besonders wichtig?
Die Produkte sollen in erster Linie gefragt sein und keine Ladenhüter, deswegen achte und reagiere ich auch sehr auf Kundenwünsche. Was mehrfach angefragt wird, schafft höchstwahrscheinlich auch den Weg in die Regale. Außerdem sind praktische Produkte wichtig, wie zum Beispiel mehrfach verwendbare Flaschen für Kinder, die nicht aus Glas sind. Eine robustere und leichtere Alternative zu den ebenfalls angebotenen „Soulbottles“.
Natürlich kommt es auch häufig auf die Verpackung an. Ich suche Produkte mit wenig Verpackung, am liebsten Großgebinde.
In meinem Laden ist alles biologisch bis auf ein paar wenige, vereinzelte Produkte. (Es ist nicht einmal eine Hand voll.) Zudem beziehe ich viele Produkte aus der Region und achte auf kurze Lieferketten. Meine Zulieferer sind unter Anderen Bodan Naturkost in Überlingen, sowie Rinklin Naturkost in Eichstetten. Letztere nutze ich nur aus dem Grund, da sie ohnehin täglich einen großen Biomarkt in Ravensburg beliefern und daher ohnehin durch Markdorf fahren.
Vor welchen Herausforderungen stehst du?
Aktuell ist es sicher, dass die Corona Auflagen erfüllt werden und das Vertrauen der Kunden beizubehalten, dass es auch in Infektionszeiten hygienisch und ungefährlich ist, in einem Unverpacktladen einzukaufen.
Und natürlich stellt man sich selbst immer die Herausforderung, immer NOCH weniger Verpackungen zu haben.
Welche Vision hast du?
Mehr Menschen dazu zu bringen, ein unverpacktes Leben auszuprobieren, weil viele Angst davor haben, dass es zuviel Arbeit ist. Und dass es nicht schwer ist, das umzusetzen. Und das Angebot steigt. Außerdem ist es entgegen der Erwartungen auch nicht teuer. Denn die Unverpacktläden sind meist günstiger als Biomärkte, da sie in größeren Mengen bestellen. Natürlich sind die Preise nicht mit einem Supermarkt zu vergleichen, aber das ist ja auch gar nicht das Ziel.
Wenn du eine Sache im System ändern könntest, was wäre das?
Eine Gebühr für gelbe Säcke wäre toll. Wenn die Menschen für ihren Müll bezahlen müssten, würde ihr Bewusstsein dafür steigen.
Dein persönlicher Tipp für ein nachhaltiges/unverpacktes Leben?
Man sollte sich seines Mülls bewusst werden, sich ihn genau anschauen.
Außerdem ist das Zitat von Anne-Marie-Bonneau so wichtig:
„Wir brauchen nicht eine handvoll Menschen, die Zero Waste perfekt machen, wir brauchen Millionen Menschen, die es unperfekt machen.“
Man kann sich fragen: Was kaufe ich häufig? Wo kaufe ich es ein? Und was kann oder bin ich bereit zu bezahlen? Um dann zu überlegen, wo man diese Dinge vielleicht anders herbekommt, unverpackt, regional, biologisch.
Was ist das Besondere an deinem Laden?
Das Flair. Die Kunden sagen es ist „ein Laden mit Herz“. Man fühlt sich wohl, kauft mit Wohlfühlcharakter ein und trinkt nebenzu einen Kaffee.
Was möchtest du gern noch sagen?
„Einfach mal anfangen! Keine Angst vor Unverpackt, auch hygienemäßig!“
Zum Abschluss möchte ich mich nochmals herzlich bei Simone bedanken. Für die Möglichkeit, diesen Artikel zu schreiben, die Zeit die sie sich für mich genommen hat, die vielen Infos, das Interview und den Mut, Vorreiterin für die gute Sache zu sein in unserer Region! Vielen Dank!
Ich freue mich schon auf das nächste Wiedersehen.
Hast Du Fragen an einen Unverpacktladen? Oder gibt es etwas, dass Du darüber wissen möchtest? Dann schreib gerne einen Kommentar unter diesen Beitrag oder schick mir eine Nachricht per Mail, Instagram oder Facebook, dann nimm ich auch Deine Frage beim nächsten Mal mit in den nächsten Unverpacktladen.
Hallo Amelie,
vielen Dank für diesen wirklich tollen Beitrag! Ich finde, du hast hier eine interessante Rubrik geschaffen und ich hoffe auf mehr! Vielleicht schaffst du es ja auch eine kleine Karte zu gestalten, auf der die Läden übersichtlich gezeigt werden?
Was ich spannend finden würde, wäre ein bisschen mehr aus den Lagern der Unverpackt-Läden.
Ich freue mich schon auf den nächsten Beitrag dieser Kategorie!
Lieber Chris,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Ich freue mich, dass Dir der Beitrag gefällt und werde mal sehen, was ich in den einzelnen Bereichen umsetzen kann. Ich werde auf jeden Fall mein Besten tun. 🙂
viele Grüße,
Amelie
Hallo Amelie,
schön dass Du mit deine Website die Nachhaltigkeit in denKopf der Menschen näher bringen möchtest. Mir würde interessieren, wie viel in Durchschnitt die Gründer/innen von Unverpacktläden investiert haben: (finanziell, Zeit) bis der Laden entstanden ist. Und aus welchen Quellen die Finanzierung kam.
Danke und schöne Grüße,
Cristina
Danke und liebe Grüße
Liebe Cristina,
vielen Dank für Deinen Kommentar und entschuldige die verspätete Antwort. Da hat mein Programm mir wohl keine Nachricht geschickt…
Ich freue mich, dass Dir mein Blog gefällt und danke Dir für Dein Feedback.
Tatsächlich ist die Sache mit der Invesition und dem Zeitaufwand sehr unterschiedlich. Das reicht von privat Erspartem bis hin zu einer Kombination aus Privatgeldern, Fördermitteln, Crowdfunding, Bank- und/oder Privatkrediten. Je nachdem, wie viele Menschen involviert sind, wie die Vorstellungen sind, womit gestartet werden soll (das meiste machen zu Beginn die Invensitionen in Ware und Möbel aus) und wie ausgestattet werden soll. Ich habe mit Inhaber:innen gesprochen, die sehr viel selbst gemacht haben, die Möbel ausschließlich Second Hand gekauft und mit kleinem Sortiment begonnen haben. Das alles schlägt sich natürlich auf die Kosten nieder.
Was die Gestaltung angeht, so war es bei den allermeisten mindestens ein Jahr von der Idee zum Laden. Oder auch länger. Wobei die meisten zwischen Schlüsselübergabe und Eröffnung meist nur wenige Monate hatten. Auch ist nicht bei allen Betreiber:innen der Laden die einzige Tätigkeit und Einkommensquelle. Daher variieren diese Dinge von Laden zu Laden doch meist sehr.
Da eigentlich alle Unverpacktläden Initiativen von motivierten Einzelunternehmer:innen sind, lässt sich hier keine Antwort X geben. Was ich aber auch sehr schön finde, denn so sieht mensch mal, wie bunt und vielfältig die Umsetzungen sein können und was Mensch alles auf sich nimmt (oder wo sich ein anderer ein Sicherheitsnetz spannt), um die Welt nachhaltiger zu machen.
Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Antwort weiterhelfen. In den anderen Unverpacktläden-Artikeln findest Du in den Interviews noch mehr Infos zu den Gründungsgeschichten.
Danke Dir und viele liebe Grüße,
Amelie